Staat, Religion und milde Gaben zum Advent – beten für das Essen


Präsidentengattin Rosario Murillo besuchte ihre sechs Marienaltare an der Avenida Bolivar in Managua. Die sandinistische Regierung hat sie errichtet und sie werden in den Tagen um Maria Empfängnis von tausenden Armen sehr stark besucht. Die digitale Regierungszeitung "El 19 - El Pueblo Presidente" vermeldete stolz, dass " tausende von Menschen ab morgens sechs Uhr lange Reihen formten, um die Patronin Nicaraguas, die Jungfrau Maria, zu ehren. Die brennenende Sonne störte die tausenden Armen mit ihren Kindern nicht. Es offenbart wie groß die spirituelle und materielle Not ist." Viele Menschen sagen: "es ist eine schöne Purissima, weil sie ist von der Präsidentengattin".


Beten für das Essen
Am 7. Dezember ist das Fest der "Griteria", an dem alle Gläubigen zur Jungfrau Maria beten. Anschliessend bekommen sie von den Familien, die einen Altar aufgestellt haben, Früchte, Kekse, Bleistifte, Plastikputzkübel etc. etc. geschenkt. Bereits neun Tage vor der eigentlichen Griteria wird schon heftigst gebetet - wie Zyniker sagen: für das Essen. Zehntausende Menschen sind mit Taschen, Säcken und Handkarren unterwegs.
Und tatsächlich, die Menschen kommen zurück mit einem Kübel Reis, Bohnen, Öl, Zucker und Seife sowie Kinderspielzeug. Purissima bedeutet "Allerreinste" und so wird auch die Maria-Aktivität genannt. Die sandinistische Regierung hat auch in den Ministerien und staatlichen Betrieben Altare eingerichtet. Mehr denn je ist der laizistische Staat Nicaragua katholisch geworden, und das unter Führung der "revolutionären" FSLN. Karitative Mildtätigkeit wird überall zelebriert. Woher das Geld kommt, ist im Übrigen völlig unklar.

Der Herrgott und die Jungfrau Maria sind so gesehen wichtige Figuren des politischen Spiels des präsidentiellen Ehepaars Ortega-Murillo und der Regierungspartei FSLN. Keine der vergangenen neoliberalen Regierungen hat die Verfassung, in Bezug auf Trennung von Kirche und Staat so stark missachtet als die derzeitige sogenannte revolutionäre Regierung Ortega. Es geht soweit, dass bereits die katholische Kirche protestiert gegen den  Missbrauch von religiösen Feiern. Murillo und Ortega gebrauchen einfache Botschaften wie "dem Volk dienen, ist Gott dienen" oder "wir leben in einer Zeit des Christentums, in der Gott den Nicaraguanern vorschreibt, in Frieden und Versöhnung zu leben".  Bei diesem politischen Spiel werden dann noch Sozialismus und Solidarität mit Gott und der Heiligen Jungfrau zusammengewürfelt.


Daher sehen wir nun überall die neuen riesigen Anzeigetafeln mit Daniel Ortega, der uns beschwört, dass ALBA christlich, sozialistisch und solidarisch ist. ALBA ist das wirtschaftliche und politische Bündnis von u.a. Venezuela, Ecuador, Bolivia, Cuba, Nicaragua, gestützt von den Petrodollars von Venezuela. ALBA wird "den Sozialismus, das Reich Gottes auf Erden, gründen, worin wir alle zusammen die Segnungen Gottes teilen können. Dadurch wird der Egoismus verschwinden und auch das Raub- und Plündersystem  des Kapitalismus in Nicaragua, das die Mehrheit der Bevölkerung in Armut geführt hat."


So einfach ist das, die Hunderttausenden von Armen soll es recht sein, sie werden besänftigt mit einem Kübel Reis und Bohnen. Dafür kann man ja schliesslich und endlich wohl ein bisschen beten - für das Essen.

Ob aber mit kostenlosen Lebensmitteln an einem Feiertag im Jahr, mit Frömmlerei, Populismus und Gebeten die brennenden Probleme Nicaraguas gelöst werden können, bleibt eine andere Frage.


(mit Dank an Johan Bieman, Nicalog)
Fotos: 3 Paul Kat, 1 Cesar Perez - El 19)

Kommentare

Beliebte Posts